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Nie wieder

1. Februar 2022
Michaela Vidláková, geboren 1936 in Prag, hat den Holocaust überlebt. Sie hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, über die Verbrechen der Nationalsozialisten zu sprechen. Am 1. Februar war sie zu Besuch in unserer wöchentlichen Teamsitzung.

Die tschechische Holocaust-Überlebende Michaela Vidláková wurde im Alter von sechs Jahren gemeinsam mit ihren Eltern in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort erlebte sie die „Verschönerungsaktion“ anlässlich des Besuches des Internationalen Roten Kreuzes am 23. Juni 1944 und entkam mit Glück der Deportation in die Gaskammern von Auschwitz oder anderen Vernichtungslagern. Bis heute spricht sie über die Verbrechen der Nationalsozialisten – damit sich diese nie wiederholen und damit nicht vergessen wird.

Frau Vidláková wie haben Sie es geschafft – trotz der furchtbaren Dinge, die Sie als Kind erleben mussten –, einen Weg zurück ins Leben zu finden? 

Ich war damals noch sehr jung und habe vieles ausgeblendet. Das Trauma schlummert aber bis heute tief in mir drin. Mit sechs Jahren wurde ich zum ersten Mal von meinen Eltern getrennt. Dieses Schicksal hat mich geprägt und geformt – auch im positiven Sinne: Ich habe gelernt, nicht zu jammern und unabhängig zu sein. Ich lernte früh den Wert von Freundschaft kennen und mich meiner Umgebung anzupassen. Bereits als Kind verstand ich es, mich an die Hoffnung zu klammern, die damals die Zauberformel war: „Wenn der Krieg vorbei ist (…)”.

Was hat Ihnen geholfen, ein neues Leben aufzubauen?

Das Leben nach dem Krieg erschien mir plötzlich so schön und interessant. Für mich begann ein komplett neues Leben. Meine Eltern haben vieles von mir ferngehalten. Ich wusste zum Beispiel nicht, was mit meinen Verwandten geschehen war, nur dass sie gestorben sind. Niemand hat mir damals von den Schrecken der Konzentrationslager berichtet. Ich war damals froh zu Hause zu sein, mit meinen Eltern zu leben und zur Schule gehen zu können (…).

Wie gehen Sie heute in Ihrem Alltag mit Ihrer ganz persönlichen Geschichte um?

Es ist meine Pflicht als Zeitzeugin für die Ermordeten über die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden zu sprechen und dafür Sorge zu tragen, dass so etwas nie wieder passiert. Es gibt mir ein gutes Gefühl. Es gibt meinem Leben einen Sinn.

Die Nationalsozialisten haben sechs Millionen Jüdinnen und Juden ermordet – darunter sehr viele Kinder. Sechs Millionen Menschen, die ihr Leben nicht leben konnten. Mir war es als Überlebende immer sehr wichtig, das jüdische Leben zu leben und darüber zu sprechen, sodass aus dem verbliebenen Zweig vielleicht wieder ein Baum des Lebens wachsen kann.
 

Wie wichtig ist es Ihnen, dass Ihre Erlebnisse und Erinnerungen sowie die aller anderen Holocaust-Überlebenden nicht vergessen werden?

Es ist meine Lebensaufgabe. Ich kann den Hass gegenüber Jüdinnen und Juden nicht verstehen – weder damals noch heute. Mit dem Erzählen meiner Geschichte möchte ich allen Menschen sagen, dass wir Juden keine schlechteren Menschen sind.
Das Gegenteil ist der Fall: Wir sind alle gleich!