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Gesund ins neue Schuljahr

17. August 2021
Der Psychologe Florian Mehring ist der Meinung, dass Lehrkräfte „einen tollen Beruf (haben), einen Beruf, der ungemein wichtig ist.“ (Ein Gastbeitrag)

Gesundheit ist nach WHO Definition ein „Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das frei sein von Krankheit und Gebrechen“. Ganz hinten im Kopf meldet sich sofort „schön wäre es“ oder „wie soll das denn gehen?“. Doch genau das sollte der Anspruch sein. Es darf und soll uns gut gehen, und das nicht nur sporadisch, sondern gerne dauerhaft. Insofern, trotz aller Vollmundigkeit unseres Titels „Gesund ins neue Schuljahr“, wird genau dies die Leitlinie sein.

Mit welchen Gedanken und Gefühlen bewegen Sie sich auf das neue Schuljahr zu? Was sagt Ihnen Ihr Körper, Ihr Herz, Ihr Bauch, wenn Sie darüber nachdenken – an die Aufgaben, Begegnungen sowie Verantwortungsbereiche? Haben Sie Ideen, vielleicht sogar Beschlüsse zur Work Life Balance gefasst, die Sie nun gerne und unbedingt, oder ungerne, aber unbedingt, umsetzen wollen, müssten?

 

Hier werde ich kurz persönlich: Als ich Kind war, waren die Sommerferien in der Regel licht und froh – ehrlicherweise manchmal auch ein bisschen langweilig. Aber das Gefühl, in eine andere Lebenswirklichkeit einzutauchen, hat mich immer begleitet. Wochenlang Zeit haben, rumstromern mit Freunden, sehr viel Bewegung, Wochen am Strand. Der Turn zurück in den Alltag war dann wiederum das Eintauchen in eine andere Welt. Mit anderen Worten: Die Ferienwochen waren sehr erholsam.

 

Klar, Lebensgefühle erwachsener Menschen können nicht die von Kindern sein, die sich an der sommerlichen Unbeschwertheit erfreuen. Aber wäre es nicht klasse, wenn wir Erwachsenen – nicht nur nach urlaubsbedingter Auszeit – innerlich gut präpariert und zugleich motiviert auf zukünftige Aufgaben zugehen könnten.

Gesund ins neue Schuljahr eben!

Damit sich etwas ändert, muss etwas anders gemacht werden. So weit so klar. Für eine Umsetzung ist es ratsam, individuelle, persönlich zugeschnittene Gesundheitsstrategien zu entwickeln. Halten Sie die einzelnen Schritte so einfach wie möglich, damit Ihre Vorsätze umsetzbar sind und durchgehalten werden können. Der Mensch ist ein ganz(heitliches)es Wesen. Körperliche, psychische und spirituelle Aspekte greifen stets untrennbar ineinander, machen uns aus und müssen oder dürfen daher gleichermaßen Berücksichtigung bei unseren Überlegungen finden. Gesund ins neue Schuljahr ist demnach ein Ansporn, der den Menschen in seiner Ganzheit adressieren will.

Wie nehmen Sie sich selbst in all ihren Facetten wahr? Was tut Ihnen gut und was nicht? Wie und wann erleben Sie sich lebendig und was schränkt Ihre Lebendigkeit ein? Haben Sie in den Sommerwochen Erholung und Abstand zum Alltag gefunden. Wie fühlt sich die beschriebene Balance bei Ihnen an? Gibt es ein inneres Bild, das Sie mit ihrer eigenen Balance, dem Empfinden und dem Gefühl von Gesundheit verbinden? Bilder sind Wahrnehmungsanker, die uns zu verinnerlichen helfen.

Wenn hier Fragen gestellt sind, mit denen Sie nichts anfangen können, bitte diese direkt verwerfen. Vielleicht gibt es aber einen Aspekt, dem Sie gerne nachgehen wollen. Die Beschäftigung mit diesem einen Aspekt kann sehr wohl zielführend für Ihren individuellen Weg sein, gesund ins neue Schuljahr (und darüber hinaus) zu kommen.

 

In Ergänzung dazu ist es hilfreich, die wesentlichen Faktoren von Stresskompetenz zu verinnerlichen und einzuüben. Diese sind

  • Bewegung: Es darf regelmäßig geschwitzt werden, gerne auch bei Bewegungen in der Natur. Die Bewegung an der frischen Luft hat den positiven Nebeneffekt, dass das Erleben von Natur stets stärkenden und erholsamen Charakter hat
  • Entspannung: Es gibt viele gezielte Entspannungstechniken (z.B. progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Meditation). Wie so oft gilt, individuell zu schauen, welche Methode persönlich passt. Positive Trainingseffekte für das vegetative Nervensystem stellen sich erst bei regelmäßiger Durchführung ein.
  • Ernährung: Es gibt zahlreiche und sehr unterschiedliche Empfehlungen. Eine Beschäftigung mit dem Thema hilft zunächst.
  • Selbstzugang: Hier geht es um die vielfältigen sehr persönlichen Aspekte unseres Verhaltens und Erlebens, an denen wir „heißlaufen können“ (z.B. durch die eigenen Ansprüche). Im Selbstzugang immer mal wieder überprüfen, wie wir im Leben mit uns und anderen sowie den Umständen unterwegs sind.Und ob sich an der einen oder anderen Stelle ein Lernfeld für uns auftut. Das ist ein sehr anspruchsvoller Punkt.  Allein deswegen, weil Selbstzugang für sich genommen schon eine Leistung ist.
  • Selbststeuerung: ein enorm wichtiger Punkt für den Aufbau von Stresskompetenz und damit der Gesundheit zuträglich. Gemeint ist die Stärkung der internalen Kontrollüberzeugung, also des erlernbaren Lebensgefühls, welches uns Entscheidungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit vermittelt. „Ich kann etwas tun, denken, fühlen, entscheiden, handeln und werde es auch“, ungeachtet des Themas, um das es gerade gehen mag. Wenn wir das Gefühl haben, selbst die Entscheidungshoheit über unser Leben zu besitzen, zumindest partiell, dann fördert dies unsere seelische Gesundheit. Der Gegenentwurf ist das Gefühl von Fremdbestimmung: „Ich kann nichts tun. Ich kann nur reagieren auf die Welt, das Leben…“ – dieses ist eher ungünstig in Bezug auf die seelische Stabilität.

Diese fünf Faktoren können erlernt werden. Übung macht (auch hier) die Meisterin bzw. den Meister. Die entsprechende Motivation benötigt eine Verschaltung mit Sinn, Emotion und Fokus: Das Erreichen eines Ziels muss persönlich Sinn machen, der emotionale Bezug (Betroffenheit, Begeisterung) wirkt dabei stärkend ebenso wie die fortwährende Fokussierung vor Ablenkungen schützt.

Was ist sonst noch wichtig?

Menschen, die mit Menschen arbeiten, benötigen Supervision. Die Außenperspektive ist ungemein hilfreich für die eigene Profession, aber auch für das persönliche Wohlergehen. Eine prima Alternative zur Einzel- oder Gruppensupervision ist die kollegiale Fallberatung – im Kontext von Schule hoch wirksam, leider noch zu selten angewendet. 

„Gesund ins neue Schuljahr“ ist ein Thema für die Langstrecke. Gesund sein und gesund bleiben oder werden – dies funktioniert nicht mal eben so. Eine Balance des eigenen Erlebens und Lebens zu finden und zu sichern, braucht einen langen Atem (Stichwort Resilienz). Alles, was wir fokussieren und lernen, können wir auch wieder verlernen.

Mit anderen Worten: Wir müssen dranbleiben.

Gesund ins neue Schuljahr! Sie haben einen tollen Beruf, einen Beruf, der ungemein wichtig ist. Wichtig ist es aber auch, gut für sich selbst zu sorgen. Um gesund zu bleiben. Dabei wünsche ich Ihnen viel Freude und Erfolg.

 

Über den Autor

Florian Mehring ist Psychologe (MSc Psych.), Lehrsupervisor und -coach.
www.bts-wuppertal.de